Straßenkampf

Ich fahre mal wieder Fahrrad in Berlin, auf einem Radweg kommen mir drei junge Kerle, nebeneinander in breiter Front, entgegen. Es wird sehr schwer für mich ihnen auszuweichen, Raum dafür ist jedenfalls keiner mehr da. Ein angeborenes Gefühl für Gerechtigkeit sagt mir, dass ihr Verhalten asozial ist. Ich quetsche mich mit meinem Fahrrad an die äußerste Kante des Fahrradweges, nur noch ein Blatt Papier passt zwischen mir und den Fußgängern. Die drei rauschen plaudernd an mir vorbei, einer touchiert mich noch leicht mit dem Ellenbogen. Ich bleibe stehen und rufe ihnen „Hey, hört mal, der Fahrradweg gehört allen!“ hinterher. Sie bleiben stehen und drehen sich um. „Halt doch deine Fresse!“, meint der in der Mitte. Der, der mich touchiert hat, ruft: „Fick dich!“ Der letzte bietet mir an: „Kannst was vor´s Maul haben, Opa!“ Was zu viel ist, ist zu viel. Ich brülle: „Opa? Ich bin kein Opa, ihr Spacken!! Meine Söhne denken gar nicht daran, mich zum Opa zu machen.“ Die drei stoppen, steigen ab und trösten mich. Sie hätten das nicht so gemeint, sagen sie, ich möge ihnen verzeihen. Einer nimmt mich in den Arm, der andere streichelt mir über den Kopf. „Okay, okay“, sage ich und wisch mir eine Träne aus dem Auge, „alles ist gut.“ Sie sind total erleichtert und steigen wieder auf ihre Räder. „Gute Fahrt“, rufe ich ihnen hinterher, „und fickt euch!“ Sie winken noch mal fröhlich.

Aber sicher

Ich erinnere mich noch, als man sich SMS (Short Message Service) schickte. Damit kam das schnelle Wort in Mode, einfach mal kurz „Hallo!“ oder „Lebe wohl“ sagen, oder „Wie geht´s? oder „Kannst mir was borgen?“ fragen. Bilder oder Filmchen zu schicken kostete noch Speicher und Zeit. Dann kam plötzlich „WhatsApp“ und nun brachen die Dämme. Jetzt bekam man im garstig-heimischen Winter Urlaubsfotos vom Strand in der Dominikanischen Republik, Bilder vom gelungenen Schweinebraten, die launige Festrede zu Muttis runden Geburtstag und jede Menge lustige Filmchen aus aller Welt. Ein Bekannter aus Süddeutschland schickte mal ein Video mit seiner speisenden Familie. Man hörte nur Gabeln und Messer klappern und genüssliches Schmatzen. Minutenlang. In diese interaktive Idylle platzte eines Tages die hässliche Information, dass WhatsApp „nicht sicher“ sei. Mich persönlich verschreckt das nicht, ist mir doch hundertprozentig klar, dass Bill Gates und Marc Zuckerberg längst gecheckt haben, dass ich Schuppenshampoo benutze und heimlich im Stehen pinkle. Jüngst, in einem Artikel in der FAZ, fand ich zudem noch bestätigt: „Zweistellige Milliardenschäden durch Hacker. Es gibt keine absolute Sicherheit im Netz.“ Meine Freunde wechselten zu THREEMA, ich wechselte mit. THREEMA, so hieß es, sei sicherer. Nun kommunizierten wir auf der Schiene munter weiter. Gerade hatte ich mich entspannt, da hieß es, THREEMA sei nicht mehr sicher, TELEGRAM sei besser – ich solle unbedingt dorthin wechseln. Kaum hatte ich das getan, erreichte mich die Hiobsbotschaft, TELEGRAM sei nicht mehr sicher, auch Jan Böhmermann meinte das öffentlich und empfahl SIGNAL. Ich werde nun wohl zu SIGNAL wechseln. Sollte sich herausstellen, dass auch diese App meine Privatsphäre nicht vor digitalen Spannern schützt, so bekam ich schon einen Tipp von einem Insider: der innovativste Knaller auf dem globalen Kurznachrichtendienstmarkt hieße BRIEF, und zwar handgeschrieben, auf PAPIER! Wahnsinn! Die Entwicklung kennt keine Grenzen.

Der Gott des Gemetzels

Anfangs war es noch ein ganz normales Geburtstagsfest, es gab warmes Essen, anschließend Kaffee und selbstgebackenen Kuchen. Die älteste Eingeladene war Oma Ute, die jüngste Lotta, das Baby von Leonie, dazwischen mischte es sich altersmäßig. Bis zum Thema Hochbeet und Laktose-Intoleranz war alles noch friedlich, dann aber erhob sich Sönke, der Gastgeber, und hielt eine kleine Rede, in der er Oma Ute explizit als „ältesten Gast“ begrüßte. Daraufhin warf Anna Lippmann-Pölz spitz „Gästin!“ ein. Horst Kurznagel, ehemaliger Bundesgrenzschützer im Ruhestand, rief daraufhin „Mensch, nun hör aber mal auf!“ dazwischen. Leonie war spürbar bemüht mit dem Hinweis auf ihre kleine Tochter „Schaut nur, wie süß sie mümmelt!“, die Stimmung zu befrieden, aber es war bereits zu spät. Anna Lippmann-Pölz hatte nämlich laut „Die Zeiten ändern sich, Herr Kurznagel!“ gerufen. Der verzweifelte Versuch des Gastgebers mit einem „Ich hab gestern meine zweite Impfung bekommen“, das Ruder herumzureißen, machte alles nur noch schlimmer. „Menschenversuche“ fauchte Onkel Paul und kassierte dafür von Frau Thomsen ein: „Ach? In der AfD?“. „Sie fahren wohl auch Elektroauto?“, ätzte Onkel Paul. „Faschist“, zischte Emma, die Tochter des Gastgebers.

Mit „Wir wählen dieses Mal Grün“, wollte die friedliebende Leonie ein anderes Thema anschneiden, was Simon zu der Bemerkung bewog, dass ein aufrechter Mensch heute nur Links wählen kann. „Ich hasse Sarah Wagenknecht“, zischelte Frau Obermoser. „Ich Markus Söder“ konterte Anna Lippmann-Pölz. „Ich Angela Merkel“ meinte Ruby Tiedenhub. Oma Ute hasste „Pflegeheime!“. „Isst hier etwa irgendjemand noch Schwein?“, warf jetzt Pia Sander unvermittelt ein, woraufhin Horst Kurznagel „Ich liebe Zigeunerschnitzel!“ bölkte. Oma Ute krähte: „Wir haben jedes Tier gegessen und kannten keine Allergien!“ „Sogar Negerküsse!“, ergänzte Herr Lutterberg, worauf Anna Lippmann-Pölz ihn als Rassisten beschimpfte.

„Tempo 100!“, schrie Emma unvermittelt in die Runde und Ruby hob ihr Glas und rief: „Es lebe das Matriarchat!“. Daraufhin sprang Herr Kurznagel mit einem gefüllten Schnapsglas auf und brüllte: „Ein Hoch auf den Sack des Weihnachtsmannes!“. Nun ging alles ganz schnell, Emma schlug ihm das Schnapsglas aus der Hand und Ruby schüttete ihm ihren Aperol-Spritz ins Gesicht. Anna-Lippmann Pölz verbiss sich in Kurznagels Wade, während Herr Lutterberg mit einem Baguette auf sie einschlug. Oma Ute hatte sich indessen mit der kleinen Lotta aus dem Getümmel auf die Terrasse zurückgezogen und fütterte das zufriedene Kind mit Nutella.

Schlafmütze

Meine Eltern fuhren jedes Jahr zu Silvester zu Freunden zum „Karpfen Blau-Essen“ und launigem Zusammensein. So sah ich meinen Vater ein Mal im Jahr mit roter Nase, einem roten Fes auf dem Kopf und in kurzen Hosen. Das war für diese Generation wie Karneval in Rio. Um diesem spektakulären Event beiwohnen zu dürfen, musste ich mich am 31. nach dem Mittagessen zum Schlafen hinlegen, um bis weit über Mitternacht wach bleiben zu dürfen. Diese Maßnahme erschien mir völlig widernatürlich, aber als Zehnjähriger war ich im Erziehungsverständnis meiner Eltern weisungsgebunden. Also lag ich am hellen Tag in meinem Bett und zwang mich zu schlafen.

Da ich mich in meiner Vorfreude auf den Abend natürlich überhaupt nicht entspannen konnte, konzentrierte ich mich darauf, mitzubekommen, in welchem Moment der Schlaf mein Wachsein überwältigt. Ich wollte wissen wie das funktioniert, wollte den Prozess begleiten, aber irgendwie bin ich immer vorher eingeschlafen. Noch heute beschäftige ich mich mit meinem Schlaf, vorrangig mit der Sorge, ich könnte nicht genug davon bekommen. Denn ohne genügend Schlaf bin ich nur halb so viel wert. Körperlich schlapp, geistig müde. Ausgeschlafen schlage ich Bäume und mein Geist lechzt nach intellektuellen Herausforderungen. Wie viel Schlafbedarf ist mir genetisch in die Wiege gelegt worden und was ist Einbildung? Vor langer Zeit las ich mal, dass Franz Beckenbauer mindestens acht Stunden Schlaf braucht.

Andere brauchen nur sechs Stunden oder kommen auch mit fünf aus. Politiker, speziell in Koalitionsverhandlungen, brauchen gar keinen Schlaf, dafür schlafen sie dann im Bundestag. Nun ist der Schlaf wohl der beste Freund aller ganzheitlichen Mediziner, in unserer leistungs- und erfolgsorientierten Gesellschaft allerdings ein Zeichen für Schwäche. So gesehen bin ich ein absoluter Versager, unter acht Stunden Schlaf bringe ich nämlich – wie gesagt – nur halbe Leistung. Außerdem leiste ich mir gerne noch ein Mittagsschläfchen. Ich verpenne also fast die halbe Zeit meines Lebens, bin schon im Kino, in der Schule und beim Sex eingeschlafen. Mein Arzt entdeckte keinen Befund. Bei meiner Größe braucht mein Blut halt länger bis zum Hirn, meinte er, und ich solle mich bei unerwünschter Müdigkeit einfach mal bücken, damit mir das Blut in den Kopf steigt.

Sieht immer komisch aus, wenn ich bei Besprechungen plötzlich aufstehe und kopfüber verharre, aber ist mir egal. Jeder meiner Versuche, mich in die erlauchte Riege der Minimalschläfer empor zu kämpfen, scheiterte fürchterlich. Als Beispiel möchte ich da vor langer Zeit einen Besuch beim Kölner Karneval erwähnen. Von Gründonnerstag bis Aschermittwoch durch, das war mein Ziel. Schon am Freitagabend konnte ich mich kaum noch auf den Beinen halten und Samstagnacht landete ich in polizeilicher Verwahrung, weil ich mich in ein Möbelhaus geschlichen hatte, um mich in der Schlafzimmerabteilung in tiefen Schlaf zu betten. Kurzum, ich bin eine echte Schlafmütze. Mir werden gerade die Lider schwer, sehr schwer….

Tretmaschinen

Ein Traum, ein Traum. Wir alle lassen jetzt unsere Dreckschleudern in der Garage und fahren nur noch Fahrrad – sorry, Bikes. Andere Länder machen es uns längst vor, Holland, Dänemark, alle schwärmen von Kopenhagen, offenbar ein Paradies der verkehrspolitischen Eintracht. E-Bikes, Trike-Bikes, E-Enduros, Mountainbikes, E-Mountainbikes, Trekkingbikes, Fatbikes, SUV-Bikes, Kompakt-Bikes, Gravel-Bikes, City-Bikes, Urban-Bikes, am Angebot mangelt es uns Deutschen wahrlich nicht.

Täglich wirft die boomende Fahrradindustrie ihre Produkte auf den Markt, unsere Städte, Wälder, Berge füllen sich. Sie sind nun überall, Männer, Frauen, Väter, Mütter, allein oder mit Kindern, Kindergärtnerinnen mit vollen Cargo-Bikes, Boten auf Racing-Bikes, Menschen auf den Weg zur Arbeit, sogar gebrechliche Omis und Opis heizen jetzt voll durchgestylt mit wehenden weißen Haaren auf ihren E-Bikes mit 40 km/H an dir vorbei. Nur die faule Jugend rollt auf E-Scootern. Wie Heuschrecken erobern die Biker die Natur, pflügen durch Wiesen, sägen durch Wälder, grippen auf Berge und rauschen um Seen.

Dieses neue Miteinander an rollenden Zweirädern braucht allerdings Regeln, Verständnis, Rücksichtnahme. Aber nicht im Land der Freiheit-durch-Tempo-Liebenden. „Your City. Your Bike. Your Business.“ wirbt ein Hersteller für sein SUV-Bike. Der Spruch könnte von der Autoindustrie sein, er klingt nicht nach Harmonie, sondern nach „Platz da! Hier komm ich!“. Und so geht´s auch zu auf deutschen Fahrradwegen, auf Bürgersteigen und Straßen. Jeder gegen jeden, wie auf der A2. Teure Tretmaschinen gegen billige ALDI-Räder. Jung gegen Alt. Ampelleugner gegen Schilderspießer. Eilige gegen Gemütliche. Rollstuhlfahrer, Rollatorschieber, Fußgänger und Blinde sind die Letzten in der Hierarchie auf unseren Straßen, sind verhasste Schikanen und Beschimpfungsopfer. „Ich fick dich, du alte Drecksau“, rief letzte Woche im Originalton ein wutentbrannter Fußgänger in Passau einem E-Biker hinterher, der ihn klingelnd von der „Heiliggeistgasse“ gedrängt hatte, weil er sich nicht schnell genug bewegt hatte.

Jeder kennt doch inzwischen jemanden, der mit seinem Fahrrad schon mal schwer zu Schaden gekommen ist, Armbruch, Beinbruch, Schlüsselbeinbruch, Beckenbruch, Schädelbruch, da draußen wird gebrochen, dass es nur so knackt. Im schlimmsten Falle sogar gestorben. So wie eine alte Freundin von mir vor Wochen in Krefeld bei einem Unfall mit einem anderen Fahrradfahrer ums Leben gekommen ist. Neu auch ist der Strafbestand der „Radlerflucht“. Viele schuldige, radelnde Unfallverursacher hauen einfach blitzschnell und wendig ab – sind spurlos verschwunden. Kein Kennzeichen, keine Identifizierungsmöglichkeit, da möchte man ihnen doch gerne ein gebührendes „Ich fick dich, du alte Drecksau!“ hinterherrufen.

Forever young?

Vor ein paar Tagen bekomme ich auf WhatsApp ein Foto von den Rolling Stones mit dem Text: „Gesund leben, gut schlafen, nicht rauchen, kein Alkohol, braven Sex und keine Drogen, das ist der Schlüssel für ein langes Leben.“ Unter jedem Stone steht das Alter: Bill Wyman: 78, Keith Richards 75, Mick Jagger 76, Ron Wood 72 – und dazu groß: „Ha-ha-ha!“ Das ist witzig. Soll heißen, genau das Gegenteil hält jung. Daraufhin werfen sich nun junge Menschen hemmungslos auf Fleisch, Zigaretten, Alkohol und Kokain und gehen nur ins Bett, um sich sexuell hemmungslos zu verlustieren. Ansonsten dancen sie die Nächte durch unter dem Motto: Will auch 78 werden! Freunde, lasst euch nicht verarschen, Ein langes Leben hängt einerseits von einem günstigen Genpool ab, andererseits von Glück, Geld und guten Ärzten. Habt ihr das alles? Das Management der vier glorreichen Unsterblichen wird alles tun, um ihre Wehwehchen zu verheimlichen. Ein Mick Jagger mit Potenzproblemen? Ein Keith Richard mit Arthrose? Ein Bill Wyman mit Bypass? Ein Ron Wood mit Morbus Krohn? Wer könnte sich das vorstellen? Keiner. I can´t get no sickness, da-da-dadadaaa…! In Wirklichkeit sind alle unsere Heroes Menschen wie du und ich. Ich weiß von einem berühmten Künstler, eine Ikone deutscher Biertrinker, dass er schon eine Ewigkeit lang nur noch Kräutertee trinkt. Und seine Fans denken immer noch, er kriecht jeden Abend besoffen ins Bett. Ich könnte die Liste fortsetzen, mein Anwalt riet mir aber davon ab. Aus Frust habe ich mir gleich einen Hagebuttentee gegeben.

Führerhumor

Ich stehe mit meiner Reisetasche auf dem Bahnhof. Der Regio nach Hamburg, so plärrt es plötzlich aus dem Lautsprecher, hat dreißig Minuten Verspätung, Dann nur noch zwanzig – und plötzlich ist er da. Solche positiven Überraschungen gibt´s also bei der Deutschen Bahn auch. Dennoch bin ich unsicher, ob dieser Zug tatsächlich nach Hamburg fährt. Da ich am Bahnsteig ziemlich weit vorne stehe, frage ich den Zugführer, der gerade aus seinem Seitenfenster den Kopf herausstreckt: „Fahren Sie nach Hamburg?“ „Nee, ich nicht. Der Zug“, ist seine flapsige Antwort. Das ist ein Spruch aus der Mottenkiste, denke ich. Aber hätte ich ihn „Fährt der Zug nach Hamburg?“ gefragt, hätte er garantiert „Nee, er nicht. Ich.“ geantwortet. Gegen solche Komiker hat man keine Chance. Beim nächsten Mal versuche ich´s einfach mal mit: „Na, ihr zwei Hübschen, soll´s nach Hamburg?“

TV-Blutprogramm vom 16.- 22.1.2021 (auszugsweise)

Bauarbeiter finden eine verweste Leiche im Haus (ARD). Bauarbeiter erschlagen aufgefunden (DAS ERSTE). Brutaler Mord in der Schwulenszene (WDR). Eine Prostituierte wird tot aus dem Hamburger Hafen gezogen (ZDF NEO). Ein Gemüsehändler wird erwürgt (S1 GOLD). Eine Lokaljournalistin wird ermordet (ZDF). Unter einem Brunnen entdeckt man zwölf Skelette (SRTL). In einem kleinen Ort werden übel zugerichtete Leichen angespült (SIXX). Greisin in den Tod gespritzt (ZDF NEO). In einem alten Bunker kommt ein Junge ums Leben (WDR). Die Suche nach dem Mörder der schwangeren Schülerin (NDR.) Ein Zwölfjähriger hat eine ehemalige Prostituierte ermordet (BR). Am hellen Tag wird in Portland eine junge Frau erstochen. (SRTL). Anita wird in einer Bank ausgeraubt, vergewaltigt und ermordet (RBB). Der Betreiber einer Golfanlage wird erschlagen aufgefunden (ZDF). Wer hat Annika die Kellertreppe runtergestoßen? (ZDF). Die sterblichen Überreste einer jungen Frau wurden nach einem Blitzschlag in der Gegend verteilt (VOX). Mörderische Dorfgemeinschaft (MDR). Zwei Fischer entdecken die Leiche einer jungen Frau in einem Boot (RBB). Ein grauenvoller Mord ruft Alice Avril auf den Plan (ONE). In einem eingeschneiten Hotel liegt eine Leiche in einem Zimmer (ARTE). Promisternchen Nicci stirbt an einem Stromschlag, ausgelöst durch einen Gesichtsbräuner, den jemand ins Badewasser warf (HR). Auf einer Rastplatztoilette wird die verstümmelte Leiche einer Frau gefunden (SAT.1). Mord an einer schwer misshandelten 16-jährigen (DAS ERSTE). Grausiger Leichenfund auf einem Ananasfeld (KABEL EINS). Die strenggläubige Ann wird von einem Mitglied ihrer Kirche vergewaltigt (VOX). Ritualmord an einer Glöcknerin (ZDF NEO). Ein Mitarbeiter entdeckt in einem Lagerraum die verwesenden Überreste einer Frau (S1 GOLD).
Gute Unterhaltung!!

Unvorstellbar

Es fällt mir immer schwerer, mir vorzustellen, wie wir eigentlich damals mit dem Leben klargekommen sind, als der Algorithmus noch nicht seine Weltherrschaft angetreten hatte? Wir sind echt in ein stummes Auto gestiegen, haben mit den bloßen Händen Scheiben heruntergekurbelt, Sitze mit Hebeln verstellt und sind ohne jedes elektronische Helferchen einfach auf die Straße gefahren? Einfach so. Ohne Navigation, Stauinformationen mit exakter Wartezeit und launigem Unterhaltungsprogramm, Warnungen vor Mausefallen, Reifendruckverlust, Müdigkeit, Hunger, Mundgeruch oder eingeschlafenen Beinen. Wir waren telefonisch und online unerreichbar und haben uns erst am Zielort wieder gemeldet – vorausgesetzt es gab eine Telefonzelle. Ansonsten schrieben wir halt eine Postkarte. Es ist heute auch unvorstellbar, dass Haus zu verlassen, ohne vorher auf die WetterApp zu schauen oder die Schadstoffbelastung der Luft, den Puls und die Atemfrequenz zu checken. Meine neue CodeApp sagt mir sogar, wann es für mich Zeit ist aufs Klo zu gehen und über meine DropApp bittet mich ein fürsorgliche Frauenstimme: „Du musst wieder trinken.“ Gestern bin daraufhin in eine Kneipe gegangen, nach dem dritten Bier kam ein hässlicher Warnton. Klang wie die Stimme meiner Frau.

Lachhaft

All meine Familienangehörigen, Freunde und Bekannten verlassen sofort den Raum, wenn ich mich in dieses Thema fast bis zur Raserei hineinsteigere, also bitte ich schon vorher um Entschuldigung und verstehe jeden, der es ihnen gleich tut und sofort aufhört zu lesen. Es geht um „die Deutschen“ und ihr Verhältnis zum Humor, der mir persönlich dabei längst vergangen ist und ich kann wirklich sagen, ich habe mich ehrlich um Verständnis bemüht.

Es ist schon eine Weile her, da habe ich zu diesem Thema bei Lappan ein Buch mit dem Titel „Lachtherapie“ veröffentlicht und versucht herauszuarbeiten, woran es liegen mag, dass wir Deutschen so ein ambivalentes Verhältnis zum Humor haben. Wir lachen wohl auch durchaus gerne, im Bewertungsportal allerdings erteilen wir dem Humor nur eine geringe Benotung. Ich zitiere Gerhard Polt: „Der Humor ist in Deutschland nichts wert.“ Ich muss immer sehr aufpassen, nicht ständig andere Länder zu verherrlichen, in denen es nach meiner Wahrnehmung völlig anders ist. Allerdings hat mal in Regensburg in einer Boutique eine bayerische Verkäuferin, als ich mit einer neuen Hose und offenem Hosenschlitz aus der Umkleidekabine trat, zu mir gesagt: „Wenn der Vogel tot ist, kann man den Käfig ruhig offen lassen.“ Also, es geht doch.

Man kann man ja auch nicht sagen, dass in unseren Medien nicht gelacht wird. Gefühlt Tausende von männlichen und weiblichen „Comediens“, neuerdings verstärkt mit Migrationshintergrund, stehen Abend für Abend auf irgendwelchen Bühnen und erzählen lustige Geschichten, manche singen sie sogar. Ich vermute, die Joke-Hunter der Fernsehanstalten streifen Tag für Tag auf der Suche nach Nachschub durch die Fußgängerzonen und fragen die Leute, ob sie witzig und einigermaßen flüssig reden können. Als Cartoonist mit Humorhintergrund stecke ich natürlich tief im Thema. Die Printmedien z.B. haben fast alle, bis auf ganz wenige Ausnahmen, die Cartoons aus ihren Heften verbannt.

Der Humor hat keine Lobby, er kostet nur Geld und das geht der Papierpresse in der Schlacht mit den digitalen Medien immer mehr aus. Ich muss ihre Entscheidung schweren Herzens akzeptieren und war selber schon, wie andere Kollegen und Kolleginnen, massiv davon betroffen. Es tobt der nackte Überlebenskampf im Media-Markt, im Buchhandel ist es nicht anders. Amazon liefert alles nach Hause, man muss nur noch zur Wohnungstür schlurfen. Und damit komme ich zum Punkt: Aktuell läuft mein neues Buch „Umso älter man wird, desto komischer werden die anderen“ außergewöhnlich gut. Es ist aber auch ein echt witziges Werk, randvoll mit super lustigen Cartoons…ich hör ja schon auf.

Jeder Buchhändler spürt das hier und da womöglich an der auffälligen Nachfrage der Kunden, nun würde man denken, das bewegt ihn dazu, sich von diesem erfolgreichen Titel ein paar Exemplare in den Laden zu legen. Mit 10.- Euro ist das Buch keine übermäßige Investition und verderben tut es auch nicht. Aber alle Leute, denen ich mein Buch in penetranter Hartnäckigkeit ans Herz gelegt habe und die es noch in traditioneller Art und Weise in ihrem örtlichen Buchhandel kaufen wollten, hörten von ihrem Buchhändler/ ihrer Buchhändlerin den berühmten Satz: „Können wir bestellen.“ Das bedeutet also, diese Buchhandlungen ordern von einem erfolgreichen Cartoonbuch immer nur ein Exemplar nach? Wenn jemand danach fragt, kann man es ja wieder neu bestellen und man sieht den Kunden am nächsten Tag noch mal wieder? Läuft das unter Fitnessförderung oder Wiedersehensfreude? Amazon jedenfalls grinst sich einen. Andererseits wiederum stapeln viele Händler die Literatur aus dem Olymp der Spiegelbestsellerliste bei sich zu Türmen. Da brechen sich doch die Komplexe des neidischen, egozentrischen Witzzeichners mit aller Macht Bahn und er lehnt sich schluchzend an die Schulter der Buchhandlungen, von denen er weiß, dass sie in ihrem Sortiment dem Humor die gebührende Ehre erweisen.

Meine Grüße gehen an meine Freunde in die Literaturhandlung Paperback nach Bad König und an Regina bei Pustet in Passau. Und an Peter, der schon fünf Exemplare gekauft hat, vier davon will dieser humorvolle Mensch verschenken. Wahnsinn! Aber ein Teil seines Erbgutes stammt ja auch mütterlicherseits aus England.