Wundermittel

Mein Postzusteller reicht mir einen Haufen Briefe und zwinkert mir zu. „Auf die Gesundheit“, sagt er und eilt weiter. Von den acht Briefen sind sieben Werbung, nur einer ist vom Finanzamt, alle anderen bezeugen auf den Umschlägen mit „Nie wieder Schmerzen“ oder „Vom Rollstuhl zum Triathlon!“, dass sich die Hersteller von neuartigen Heilmitteln auf mich eingeschossen haben. Sie versprechen mir, dass ich in Zukunft keine Brille, Gehhilfe oder Appetitzügler mehr brauche. Nie wieder Blutdruck- oder Cholesterinsenker, Schmerztabletten oder Blutver-dünner! Vorbei! Meine Zellen erneuern sich, mein Knochengerüst baut sich komplett wieder auf, meine Lebenslust explodiert, kurzum, es findet eine radikale Runderneuerung statt. In Zukunft reicht eine Dose Babycreme. Mehr nicht. Ich lese verzückt, in welchen Regionen dieser Welt Pflanzen wachsen oder Wesen leben, in deren Substanzen wahre Wunderwirkungen schlummern. Auf der Suche nach ihnen tauchen engagierte Homöopathen in die Tiefen der Ozeane, klettern auf die höchsten Berge oder schlagen sich durch die dunkelsten Wälder. Ich nutze hier die Gelegenheit, um zu bekennen, dass ich vor nicht allzu langer Zeit klammheimlich der Werbung für eines ihrer Präparate, das in meinem Herzen die unwichtigen Dinge des Lebens von den Wichtigen trennen sollte, verfallen bin. Und es wirkte: die lästigen Mahnungen des Herstellers nach Begleichung seiner Forderungen werfe ich ungelesen und fröhlich in den Mülleimer.