Wesen

Kaum mache ich mal ein Fenster auf, um zu lüften, schon ist eine Fliege in meinem Zimmer. Ich kann sie gut verstehen, draußen ist es kalt, nass und windig, bei mir drinnen ist es warm, trocken und gemütlich. Aber wer bezahlt das alles? Die Heizkosten steigen, Strom wird auch nicht billiger, abgesehen davon, dass sie alles sauber vorfindet. Ich sehe, wie sie es sich auf der Armlehne meines Sofas gemütlich macht und sich putzt. Ich hab nicht meine Brille auf, aber das kann ich noch sehen: sie streckt sich und gähnt. Hätte ich einen Untermieter gewollt, hätte ich das gesagt. Da fällt mir plötzlich ein, dass meine Mutter davon überzeugt war, dass in so einer kleinen Kreatur die Seele eines geliebten Menschen steckt. „Papa? Bist du´s?“, frage ich die Fliege leise und lege ihr ein winziges Stück von meinem Nussriegel auf die Lehne, den mein Vater immer so gerne gegessen hat. Sie stürzt sich drauf. Er ist es!!