Negativ

Du rollst langsam zum Corona Testzentrum vor und machst die Scheibe herunter. Sie testen dich direkt aus deinem Auto. Eine Frau, komplett vermummt, mit Schutzbrille und Maske, tritt mit einem langen Wattestäbchen an dein Auto heran und sagt: „Bitte strecken Sie mir weit ihre Zunge heraus. Einmal Aaaaaaah machen, bitte.“ Das erinnert dich an deine Kindertage, wenn der Schularzt kam. Du streckst ihr also wie ein dressierter Orka bei der Fütterung deine Zunge entgegen und machst „Aaaaaaaaaah“. Sie schiebt dir das Stäbchen bis an die Grenze zur Magenspiegelung tief in den Schlund und dreht es dabei hin und her. Du magst sie nicht mehr und möchtest dich übergeben. „Und schon vorbei“, flötet sie und zieht das Teil wieder heraus. Du bist noch am Röcheln, da bittet sie dich: „Schön den Kopf gerade halten – ja, so – welches Nasenloch ist denn das Schönere?“ Du warst immer gerecht zu deinen Nasenlöchern, nie hast du eins bevorzugt behandelt oder diskriminiert. „Dann nehmen wir mal dieses“, entscheidet sie eigenmächtig und bohrt sich mit ihrem Wattestäbchen in Richtung deines Stammhirns. Es kribbelt, beißt und brennt schier unerträglich. „Sooo, das war´s schon“, sagt sie endlich, bevor du ihr das Marterstäbchen aus der Hand reißen kannst. Eine Viertelstunde später der Bescheid. Ergebnis: Negativ. Testperson: Zimperlich.

Geselliges, deutsches Zusammensein

War super, mit unseren sechs Freunden, wir hatten uns lange nicht mehr gesehen. Einfach mal wieder bei uns sitzen, essen, trinken und plaudern. Ina erzählte, wie sie eine Woche mit Corona flach lag, Kathrin sprach dann noch von den neuen Virenbedrohungen, von Affenpocken und der bedrohlichen Wiederkehr längst vergessener Seuchen.

Philipp thematisierte die aktuelle Weltwirtschaftslage und prognostizierte globale Armut und das Aussterben der Menschheit. Lenny meinte, angesichts der exorbitant steigenden Energiepreise würden sie Brennholz horten und sich mit warmen Fellen eindecken. Nicole machte sich unglaublich Sorgen vor Wassermangel und Hungersnot, sie hätten ihre Garage schon randvoll mit Konservendosen, Klopapier und Paletten mit Mineralwasserflaschen gestopft.

Ihr Nachbar hat ein großes Schlauchboot mit Außenbordmotor in seinem Schuppen deponiert, er sei also auf die steigenden Meeresspiegel bestens vorbereitet. Kathrin sprach dann noch gleich die Verseuchung der Meere an. Lenny plauderte von ihrem Harz-Urlaub und den kahlen, toten Wäldern. Ina wollte den Atommüll nicht unerwähnt lassen und die Vergiftung der Böden sollten wir bitteschön auch nicht vergessen, vom Bienensterben ganz zu schweigen, dann referierte sie noch über die sadistische Tierhaltung und das Aussterben ganzer Tierarten.

Tom, der Handwerker, konnte natürlich ausschweifend von der katastrophalen Lage im Bausektor berichten, von Materialengpässen, Wahnsinnspreisen und dem degenerierten Nachwuchs, der ohne Smartphone keinen Nagel mehr in die Wand schlagen kann. Aber vielleicht ist sowieso, angesichts des Ukrainekrieges und der atomaren Bedrohung, alles sinnlos, meinte er. Alle nickten. Philipp warf noch den Islam und die künftigen Glaubenskriege in den Ring, sprach von der Rache versklavter und ausgebeuteter Völker und Lenny mahnte mit erhobenen Zeigefinger: „Und die AfD nicht vergessen!“ Tom rief kurz „Diesel!“ und Kathrin „China!“.

Anschließend versammelten wir uns vor dem Fernseher und sahen noch im WDR bis 0.20 Uhr die Dokumentation: „Die größten Naturkatastrophen im Westen“. Beim Hinausgehen verteilte ich an die Gäste Antidepressiva und alle gingen vergnügt nach Hause. Das war mal wieder ein schöner Abend.