Der Gott des Gemetzels

Anfangs war es noch ein ganz normales Geburtstagsfest, es gab warmes Essen, anschließend Kaffee und selbstgebackenen Kuchen. Die älteste Eingeladene war Oma Ute, die jüngste Lotta, das Baby von Leonie, dazwischen mischte es sich altersmäßig. Bis zum Thema Hochbeet und Laktose-Intoleranz war alles noch friedlich, dann aber erhob sich Sönke, der Gastgeber, und hielt eine kleine Rede, in der er Oma Ute explizit als „ältesten Gast“ begrüßte. Daraufhin warf Anna Lippmann-Pölz spitz „Gästin!“ ein. Horst Kurznagel, ehemaliger Bundesgrenzschützer im Ruhestand, rief daraufhin „Mensch, nun hör aber mal auf!“ dazwischen. Leonie war spürbar bemüht mit dem Hinweis auf ihre kleine Tochter „Schaut nur, wie süß sie mümmelt!“, die Stimmung zu befrieden, aber es war bereits zu spät. Anna Lippmann-Pölz hatte nämlich laut „Die Zeiten ändern sich, Herr Kurznagel!“ gerufen. Der verzweifelte Versuch des Gastgebers mit einem „Ich hab gestern meine zweite Impfung bekommen“, das Ruder herumzureißen, machte alles nur noch schlimmer. „Menschenversuche“ fauchte Onkel Paul und kassierte dafür von Frau Thomsen ein: „Ach? In der AfD?“. „Sie fahren wohl auch Elektroauto?“, ätzte Onkel Paul. „Faschist“, zischte Emma, die Tochter des Gastgebers.

Mit „Wir wählen dieses Mal Grün“, wollte die friedliebende Leonie ein anderes Thema anschneiden, was Simon zu der Bemerkung bewog, dass ein aufrechter Mensch heute nur Links wählen kann. „Ich hasse Sarah Wagenknecht“, zischelte Frau Obermoser. „Ich Markus Söder“ konterte Anna Lippmann-Pölz. „Ich Angela Merkel“ meinte Ruby Tiedenhub. Oma Ute hasste „Pflegeheime!“. „Isst hier etwa irgendjemand noch Schwein?“, warf jetzt Pia Sander unvermittelt ein, woraufhin Horst Kurznagel „Ich liebe Zigeunerschnitzel!“ bölkte. Oma Ute krähte: „Wir haben jedes Tier gegessen und kannten keine Allergien!“ „Sogar Negerküsse!“, ergänzte Herr Lutterberg, worauf Anna Lippmann-Pölz ihn als Rassisten beschimpfte.

„Tempo 100!“, schrie Emma unvermittelt in die Runde und Ruby hob ihr Glas und rief: „Es lebe das Matriarchat!“. Daraufhin sprang Herr Kurznagel mit einem gefüllten Schnapsglas auf und brüllte: „Ein Hoch auf den Sack des Weihnachtsmannes!“. Nun ging alles ganz schnell, Emma schlug ihm das Schnapsglas aus der Hand und Ruby schüttete ihm ihren Aperol-Spritz ins Gesicht. Anna-Lippmann Pölz verbiss sich in Kurznagels Wade, während Herr Lutterberg mit einem Baguette auf sie einschlug. Oma Ute hatte sich indessen mit der kleinen Lotta aus dem Getümmel auf die Terrasse zurückgezogen und fütterte das zufriedene Kind mit Nutella.