Ein Traum, ein Traum. Wir alle lassen jetzt unsere Dreckschleudern in der Garage und fahren nur noch Fahrrad – sorry, Bikes. Andere Länder machen es uns längst vor, Holland, Dänemark, alle schwärmen von Kopenhagen, offenbar ein Paradies der verkehrspolitischen Eintracht. E-Bikes, Trike-Bikes, E-Enduros, Mountainbikes, E-Mountainbikes, Trekkingbikes, Fatbikes, SUV-Bikes, Kompakt-Bikes, Gravel-Bikes, City-Bikes, Urban-Bikes, am Angebot mangelt es uns Deutschen wahrlich nicht.
Täglich wirft die boomende Fahrradindustrie ihre Produkte auf den Markt, unsere Städte, Wälder, Berge füllen sich. Sie sind nun überall, Männer, Frauen, Väter, Mütter, allein oder mit Kindern, Kindergärtnerinnen mit vollen Cargo-Bikes, Boten auf Racing-Bikes, Menschen auf den Weg zur Arbeit, sogar gebrechliche Omis und Opis heizen jetzt voll durchgestylt mit wehenden weißen Haaren auf ihren E-Bikes mit 40 km/H an dir vorbei. Nur die faule Jugend rollt auf E-Scootern. Wie Heuschrecken erobern die Biker die Natur, pflügen durch Wiesen, sägen durch Wälder, grippen auf Berge und rauschen um Seen.
Dieses neue Miteinander an rollenden Zweirädern braucht allerdings Regeln, Verständnis, Rücksichtnahme. Aber nicht im Land der Freiheit-durch-Tempo-Liebenden. „Your City. Your Bike. Your Business.“ wirbt ein Hersteller für sein SUV-Bike. Der Spruch könnte von der Autoindustrie sein, er klingt nicht nach Harmonie, sondern nach „Platz da! Hier komm ich!“. Und so geht´s auch zu auf deutschen Fahrradwegen, auf Bürgersteigen und Straßen. Jeder gegen jeden, wie auf der A2. Teure Tretmaschinen gegen billige ALDI-Räder. Jung gegen Alt. Ampelleugner gegen Schilderspießer. Eilige gegen Gemütliche. Rollstuhlfahrer, Rollatorschieber, Fußgänger und Blinde sind die Letzten in der Hierarchie auf unseren Straßen, sind verhasste Schikanen und Beschimpfungsopfer. „Ich fick dich, du alte Drecksau“, rief letzte Woche im Originalton ein wutentbrannter Fußgänger in Passau einem E-Biker hinterher, der ihn klingelnd von der „Heiliggeistgasse“ gedrängt hatte, weil er sich nicht schnell genug bewegt hatte.
Jeder kennt doch inzwischen jemanden, der mit seinem Fahrrad schon mal schwer zu Schaden gekommen ist, Armbruch, Beinbruch, Schlüsselbeinbruch, Beckenbruch, Schädelbruch, da draußen wird gebrochen, dass es nur so knackt. Im schlimmsten Falle sogar gestorben. So wie eine alte Freundin von mir vor Wochen in Krefeld bei einem Unfall mit einem anderen Fahrradfahrer ums Leben gekommen ist. Neu auch ist der Strafbestand der „Radlerflucht“. Viele schuldige, radelnde Unfallverursacher hauen einfach blitzschnell und wendig ab – sind spurlos verschwunden. Kein Kennzeichen, keine Identifizierungsmöglichkeit, da möchte man ihnen doch gerne ein gebührendes „Ich fick dich, du alte Drecksau!“ hinterherrufen.