Meine Eltern fuhren jedes Jahr zu Silvester zu Freunden zum „Karpfen Blau-Essen“ und launigem Zusammensein. So sah ich meinen Vater ein Mal im Jahr mit roter Nase, einem roten Fes auf dem Kopf und in kurzen Hosen. Das war für diese Generation wie Karneval in Rio. Um diesem spektakulären Event beiwohnen zu dürfen, musste ich mich am 31. nach dem Mittagessen zum Schlafen hinlegen, um bis weit über Mitternacht wach bleiben zu dürfen. Diese Maßnahme erschien mir völlig widernatürlich, aber als Zehnjähriger war ich im Erziehungsverständnis meiner Eltern weisungsgebunden. Also lag ich am hellen Tag in meinem Bett und zwang mich zu schlafen.
Da ich mich in meiner Vorfreude auf den Abend natürlich überhaupt nicht entspannen konnte, konzentrierte ich mich darauf, mitzubekommen, in welchem Moment der Schlaf mein Wachsein überwältigt. Ich wollte wissen wie das funktioniert, wollte den Prozess begleiten, aber irgendwie bin ich immer vorher eingeschlafen. Noch heute beschäftige ich mich mit meinem Schlaf, vorrangig mit der Sorge, ich könnte nicht genug davon bekommen. Denn ohne genügend Schlaf bin ich nur halb so viel wert. Körperlich schlapp, geistig müde. Ausgeschlafen schlage ich Bäume und mein Geist lechzt nach intellektuellen Herausforderungen. Wie viel Schlafbedarf ist mir genetisch in die Wiege gelegt worden und was ist Einbildung? Vor langer Zeit las ich mal, dass Franz Beckenbauer mindestens acht Stunden Schlaf braucht.
Andere brauchen nur sechs Stunden oder kommen auch mit fünf aus. Politiker, speziell in Koalitionsverhandlungen, brauchen gar keinen Schlaf, dafür schlafen sie dann im Bundestag. Nun ist der Schlaf wohl der beste Freund aller ganzheitlichen Mediziner, in unserer leistungs- und erfolgsorientierten Gesellschaft allerdings ein Zeichen für Schwäche. So gesehen bin ich ein absoluter Versager, unter acht Stunden Schlaf bringe ich nämlich – wie gesagt – nur halbe Leistung. Außerdem leiste ich mir gerne noch ein Mittagsschläfchen. Ich verpenne also fast die halbe Zeit meines Lebens, bin schon im Kino, in der Schule und beim Sex eingeschlafen. Mein Arzt entdeckte keinen Befund. Bei meiner Größe braucht mein Blut halt länger bis zum Hirn, meinte er, und ich solle mich bei unerwünschter Müdigkeit einfach mal bücken, damit mir das Blut in den Kopf steigt.
Sieht immer komisch aus, wenn ich bei Besprechungen plötzlich aufstehe und kopfüber verharre, aber ist mir egal. Jeder meiner Versuche, mich in die erlauchte Riege der Minimalschläfer empor zu kämpfen, scheiterte fürchterlich. Als Beispiel möchte ich da vor langer Zeit einen Besuch beim Kölner Karneval erwähnen. Von Gründonnerstag bis Aschermittwoch durch, das war mein Ziel. Schon am Freitagabend konnte ich mich kaum noch auf den Beinen halten und Samstagnacht landete ich in polizeilicher Verwahrung, weil ich mich in ein Möbelhaus geschlichen hatte, um mich in der Schlafzimmerabteilung in tiefen Schlaf zu betten. Kurzum, ich bin eine echte Schlafmütze. Mir werden gerade die Lider schwer, sehr schwer….